Festgottesdienst zur KiBa-Mitgliederversammlung in der Herderkirche zu Weimar
Festgottesdienst zur KiBa-Mitgliederversammlung in der Herderkirche zu Weimar

„Lebendige Steine“ (1 Petr. 2, 2-5)

Predigt von Bischöfin Ilse Junkermann in der Herderkirche Weimar zur KiBa-Mitgliederversammlung

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Predigttext: 1 Petr. 2, 2-5

2 ... Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, 3 da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. 4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. 5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.

Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige. Amen.

Liebe KiBa-Gemeinde! Liebe Schwestern und Brüder!

Christen erfahren: Auf Gott kannst Du Dich verlassen. Er bleibt freundlich. Er sorgt für Dich. Er ist Dir zugewandt und sieht dich voller Liebe an. Du kannst seine Freundlichkeit schmecken. Wie bei Kindern insbesondere durch das Stillen, durch jede Art von Nähe, ein Grundvertrauen ins Leben gelegt wird, so ist für alle Christen mit der Taufe ein Grund gelegt für Gottes Zusage: ich bin Dir wohl gesonnen.

Und so wie Kinder Milch brauchen, dass sie wachsen und gedeihen, so braucht jeder und jede Getaufte Wort-Milch, dass sein und ihr Glaube und Vertrauen in Gott wächst und gedeiht.

"Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch...", so übersetzt Martin Luther. Man könnte auch übersetzen: "Seid begierig nach der reinen Wort-Milch...". Stärkt und nährt Euch immer wieder an Gottes Wort, dass Euer Glaube heranwachsen kann.

Ja, wozu denn? Zu einem lebendigen Stein, so das nächste Bild. Das meint: so wie jeder Stein ganz einzig und eigenartig ist - so wachst heran als ganz eigene Menschen.

Steine auf einem Haufen, auch noch die gleiche Art, da könnte man meinen, sie seien alle gleich. Aber wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie: Jeder ist verschieden, hat eine andere Form, Größe, Maserung...

So auch bei den Menschen: In einer Menge von ganz ähnlichen, da denkt man, sie sind alle gleich. Beim genauen Hinsehen erkennen wir: Jeder ist ganz anders (und auch bei Zwillingen suchen wir noch Kennzeichen, wie sie wohl auseinanderzuhalten sind). Jeder Mensch ist einzigartig, von Gott einzigartig geschaffen. In der Taufe sagt Gott ja zu allen Eigenheiten von mir und Dir und Ihnen: "Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein." Du gehörst zu mir. Du hast einen eigenen Namen. Du bist unverwechselbar - einzigartig. Dich gibt's nicht noch mal; das, was in Dir angelegt ist, das bilde heraus. So brauche ich Dich in meiner Welt.

Lebendig, vielfältig, unterschiedlich will Gott seine Menschen, so vielfältig und verschwenderisch, wie seine ganze Schöpfung ist. Genau darin ist Gottes Freundlichkeit zu erkennen: in seinem Ja zu jedem noch so eigenartigen Menschen!! Und wenn jeder und jede einzigartig ist, ist er und sie auch eigen-artig! Und das kann uns zu schaffen machen. Wie oft führt das zu Streit, zu Konflikten bis hin zu Krieg: Der andere ist so anders, die anderen sind so anders.

Deshalb haben Christen eine besondere Aufgabe. Sie sollen, so das nächste Bild, ein Haus aus lebendigen Steinen bilden. Mitten in der Welt des Streits sollen sie dafür einstehen: Wir gehören zusammen; wir bilden ein Haus aus lebendigen, ganz unterschiedlichen Steinen. Im Bild ist das ganz schön: Wir gehören zusammen. Wir sind nicht Steine, die irgendwie rum liegen, jeder für sich! Vielmehr: So wichtig jeder und jede von uns einzeln ist, weil es toll ist, wie verschieden wir sind, so wichtig ist es, dass wir zusammenkommen und zusammen etwas Neues werden: Ein Haus.

So wird das feste Haus zum Bild für die Gemeinde.

Und das leuchtet ein: Ja, ein Haus braucht verschiedene Steine. Es braucht tragfähige Steine für das Fundament, es braucht bruchfeste Steine für Türstürze und Fensterrahmen. Es braucht schön anzusehende Steine für das sichtbare Mauerwerk und hitzebeständige Steine für den Kamin; es braucht Ziegelsteine für ein regendichtes Dach.

Ein Haus braucht verschiedene Steine. Ein solches Haus sollen wir sein. Das heißt: Jede und jeder wird gebraucht für das Ganze. Jeder und jede gibt dem Haus eine wichtige Eigenschaft. Jeder und jede muss darauf achten, wie die Verschiedenen gut zusammenpassen.

Und wenn das so geschieht, dann ist wichtig im Blick zu haben: Sie sind nicht nur für sich da. Im Text heißt es: V 5: "Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus."

"Geistliche Opfer" - was da wohl gemeint ist?

Genau das, wozu ein Haus eben da ist: Dass Menschen ein Zuhause haben, dass sie Schutz finden, geborgen sind; in einem Haus, da bin ich zu Hause, da kann ich die Tür zu schließen. Da kann ich entspannt sein und muss mich nicht für die Außenwelt produzieren, ein anderer sein. Ein solches Haus - für andere offen, lebendig einzigartig mit großem Willkommen für andere - einzig- und eigenartige? Auch als Verschiedene friedlich und freundlich sein? Wie sehr braucht unsere Welt das! Die Welt in Streit und Krieg, wir selbst in Streit und Konflikten! Ja, das ist schwer. Das können wir in jeder Gemeinde und Kirche erleben - Sie bei sich zu Hause in Ihrer und Kirche und auch wir in der EKM: ‚Wie anders doch die anderen sind! Sollen sie wirklich genauso dazu gehören - müssen sie nicht erst werden wie wir?' Wie gut, dass es da einen Stein im Haus gibt, der alles zusammenhält.

Er ist der, der verworfen war, so heißt es. Genau ihn hat Gott auserwählt zum Eckstein - "er war und ist ein Stein des Anstoßes und des Ärgernisses"; ihn hat Gott erwählt um Eckstein.

Ein Eckstein - auf ihm ruht die ganze Spannung des Hauses. Was draußen war, macht Gott zum Fundament. Das möge uns ein Bild zur Mahnung sein: Was wir als draußen und nicht dazugehörig erklären - das ist dem Fundament, Jesus, am nächsten. Das ist der ganz besondere Stein in diesem Haus: Jesus. Jesus, der gekreuzigt wurde, der verfolgt wurde, der gescheitert ist, der von vielen verachtet wurde. Das Haus, das Ihr seid, das hat diesen Stein als Fundament, als Eckstein.

Das bedeutet: In diesem Haus soll auch Raum sein für Scheitern. Es soll Raum dafür sein, einmal auch nichts zu können, Raum auch, dass ich am andern schuldig werde. Es soll Raum sein, zu seinen Fehlern zu stehen und es wieder und noch einmal zu versuchen. Es soll Raum sein, neu anzufangen miteinander. Es soll Raum sein, vergeben zu lernen.

So wird der gemauerte Kirchbau für uns zum Bild für unsere Gemeinschaft. Deshalb setzen sich so viele für ihre Kirche im Dorf, in der Stadt, ein; auch so viele, die gar nicht zur Kirche gehören. Sie setzen sich für das Kirchengebäude ein, denn es ist ein Bild ihrer Gemeinschaft, der Gemeinschaft in einem Dorf, in einer Stadt. Die vielen zerfallenen Kirchen z. Zt. der DDR zeigten auch an, dass hier die Gemeinschaft der Verschiedenen zerstört werden sollte; und dass eine Einheitsgemeinschaft befördert, ja erzwungen wurde.

Und die nun renovierten Kirchengebäude sind ein Zeichen neu gewachsener Gemeinschaft; neu gewachsener Gemeinschaft unter Christen in Ost und West ebenso wie zwischen Christen und Nichtchristen in Dorf und Stadt. Ja, in dieser Gemeinschaft auch Raum sein für Scheitern. Es soll Raum dafür sein, einmal auch nichts zu können, Raum auch, dass ich am andern schuldig werde. Es soll Raum sein, zu seinen Fehlern zu stehen und es wieder und noch einmal zu versuchen. Es soll Raum sein, neu anzufangen miteinander. Es soll Raum sein für Vergebung und Versöhnung.

Genau damit verkündigen wir die Güte und Freundlichkeit Gottes: Wenn wir Jesus den Eckstein lassen können - und nicht meinen, wir müssten alle anpassen, um die Spannungen auszuhalten. Er hält sie aus.

Und genau das ist die Wort-Milch, an der mein Glaube und Ihr Glaube und der Glaube aller Getauften wachsen kann - das Wort: "Du bist mein", Du gehörst zu mir - im Glück wie im Scheitern, im Leben wie im Sterben. Darauf kannst Du Dich verlassen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn, Amen.