Die Rückkehr der Münsterpfleger

Historisch anmutende Gestalten in besonderen Gewändern ziehen seit einiger Zeit durch Freiburg im Breisgau im tiefen Südwesten der Republik. Es sind die Münsterpfleger, die sich bis ins 19. Jahrhundert um den Erhalt des Freiburger Wahrzeichens kümmerten. Jetzt sind sie wieder da.

„Und Freiburg wird wohl der schönste Turm auf Erden bleiben“, hat der Kunsthistoriker Jacob Burckhardt 1869 im Rahmen eines Vortrags über den 116 Meter hohen Turm der Freiburger Stadtpfarrkirche Unserer Lieben Frau gesagt. Man möchte ihm recht geben, denn der markante Westturm mit seinem filigran anmutenden Mauerwerk ist wirklich ein besonderer Hingucker. Er ist in Deutschland der einzige Kirchturm, der noch im Mittelalter vollendet wurde. Dass er seitdem die Zeit überdauert hat – sogar den Bombenangriff vom November 1944 – gilt vielen als Wunder.

Und das größtenteils im Stil der Gotik bzw. Spätgotik gehaltene Freibürger Münster hat noch viel mehr zu bieten: 1512-1516 gestaltet Hans Baldung den eindrucksvollen Flügelalter mit dem Bild der Krönung Marias, flankiert von den zwölf Aposteln. Im Altarraum ist das älteste Kunstwerk der Stadt Münster zu sehen, das spätromanische Böcklinkreuz aus der Zeit um 1200. Es ist über 2,60m hoch, aus Eichenholz gefertigt und mit Silberplatten beschlagen. Die bunten Glasfenster der Kathedrale stammen aus allen Bauperioden und reichen bis in unsere Zeit.

In der Anfangszeit des Münsters lag die Verantwortung für die Kirche bei den Herzögen von Zähringen und den Grafen von Freiburg, die auch schon den eigentlichen Bau verantwortet hatten im 14. Jahrhundert ändert sich die Situation und die Freiburger Bürger halten nun die Fäden in der Hand. Es sind die Zünfte und einflussreiche Familien, die zu großzügigen Stiftern werden. Der so genannte Münsterfabrikfonds ist dem Stadtrat unterstellt. Besonders angesehene Mitglieder der Stadtgesellschaft werden zur Münsterpflegern, sie regeln die Finanzen und verantworten Bau- und Erhaltungsmaßnahmen. Das Wort „Pfleger“ hat längst einen neuen Kontext bekommen, seine ursprünglichen Aufgaben aus dem Bereich der Verwaltung lassen sich beispielweise in der Weihnachtsgeschichte nachspüren: Martin Luther übersetzte die Funktion des römischen Statthalter Quirinius mit „Landpfleger“ – in der Reformationszeit war diese Bezeichnung jedermann klar.

Heute ist der Münsterfabrikfonds als Stiftung kirchlichen Rechts der Eigentümer des Münsters. Er ist die Nachfolgeorganisation der Münsterfabrik, der mittelalterlichen Bauhütte. Für die steinerne Hülle des Münsters ist seit 1890 der Münsterbauverein zuständig, der auch die Münsterbauhütte betreibt. Nach wie vor ist das private bürgerschaftliche Engagement enorm wichtig. Für den langfristigen Erhalt des Münsters müssen jährlich rund eine Million Euro aufgewendet werden. Um regelmäßige Mittel einzuwerben, hat man sich im Breisgau nun etwas Besonderes einfallen lassen: die Rückkehr der Münsterpfleger!

Auch die modernen Münsterpfleger rechnen in mittelalterlichen Maßen: so gibt es keine Meter, sondern Freiburger Ellen – das historische Grundmaß entspricht genau 54cm und ist am Nordwestpfeiler des Turms in die Wand eingelassen. Das gesamte Münster umfasst 44.100 Ellen. Wer Münsterpfleger werden will, bekommt dauerhaft eine oder mehrere dieser Ellen und leistet dafür einen monatlichen Spendenbetrag. Das ist ab zehn Euro pro Monat möglich.

Der Münsterbauverein hat die Kampagne der Münsterpfleger groß aufgezogen und mit Plakatmotiven und Anzeigenreihen flankiert. Da das Konzept der Münsterpfleger in Freiburg gut bekannt ist, kann die Kampagne bereits gute Erfolge vorweisen. Man baut stark auf Traditionen und schafft mit den Münsterpflegern einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, in dessen Zentrum das Münster selbst steht.