Instandgesetzter Kirchturm: St. Marien Worth (Schleswig-Holstein)
Instandgesetzter Kirchturm: St. Marien Worth (Schleswig-Holstein)

„Zeitreise in Holz und Schindel“

Sanierung der Dorfkirche St. Marien in Worth

Worth gilt als Kleinod im Herzogtum Lauenburg und beherbergt mit der St. Marien-Kirche ein ganz besonderes Baudenkmal. Das kleine Gotteshaus ist größtenteils aus Eichenholz errichtet und kann auf eine fast 230-jährige Geschichte zurückblicken. Jüngst wurden Turm und Dach umfassend saniert – eine anspruchsvolle Aufgabe, die alte Zimmermannskunst und moderne Denkmalpflege vereinte.

Ein Dorf mit historischem Anker

Die Gemeinde Worth liegt im Kreis Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein, östlich von Hamburg. Mit einer Fläche von etwa sechs Quadratkilometern und gerade einmal knapp 170 Einwohnern zählt Worth zu den kleinsten, aber historisch gewachsenen Orten der Region. Die erste urkundliche Erwähnung findet sich im Ratzeburger Zehntregister aus dem Jahr 1230. Der Name Worth selbst ist sächsischer Herkunft und geht auf die alte Flurbezeichnung wurð zurück, was so viel wie „Hofstätte“ oder „Boden“ bedeutet. Worth entstand um das Jahr 1000 während einer Ausbauperiode im Grenzgebiet zwischen Sachsen und Slawen.

Zusammen mit der alten Dorfschule gehört die Marienkirche zu den Kulturdenkmalen, die in der Denkmalliste des Landes Schleswig-Holstein eingetragen sind. Die evangelische Kirchengemeinde umfasst Worth und Hamwarde.

Baugeschichte: Die Fachwerkkirche am „alten Thurm“

St. Marien wurde 1793 (oder 1794) als Fachwerkkirche errichtet, da eine Vorgängerkirche baufällig geworden war. Eine Zeichnung von 1793 dokumentiert, dass beim Bau der alte Turm beibehalten werden sollte. Am Kranzgesims (dem waagerechten Zierband) des Turmes in Richtung Osten ist heute noch erkennbar, dass es voutenförmig (gewölbt) ausgebildet und durch den späteren Kirchenanbau teilweise überbaut wurde. Der Turm selbst besteht aus einer reinen Holzkonstruktion aus Eiche und ist auf einem Fundament aus geschichteten und gemauerten Feldsteinen gegründet. Im Inneren befinden sich zwei Glocken, das Läutewerk und die Turmuhr (mit einem Zifferblatt nach Westen)

Der hölzerne sich nach oben verjüngende Glockenstapel (ein freistehender oder angebauter Turm zur Aufnahme von Glocken) mit seinem schindelgedeckten, achtseitigen Helm im Westen wurde erst im Jahr 1824 angebaut.

Blick ins Fachwerk: Die Bauweise des Turms

Der Turm in Worth ist ein spannendes Beispiel für historische Holzbauweise – es fühlt sich ein wenig wie eine „Zeitreise in Holz und Schindel“ an. Die vier Ecken werden durch einteilige Stützen gehalten. Seine Wände sind auf acht Metern Höhe etwa 40cm nach innen geneigt nach innen geneigt. Über Kreuz angeordnete Streben sorgen für Stabilität. Das oberste Podest unterhalb der Glocken ruht auf Deckenbalken, die wiederum auf Riegeln aufliegen.

Der Dachstuhl des Turmes ist komplex konstruiert. Er basiert auf vier Rähmen (horizontale Hauptbalken, die die Lasten der Wandkonstruktion aufnehmen). Die kreuzen sich rechtwinklig mit zwei Mittelbalken und nehmen einen Kaiserstiel (einen zentralen Pfosten in der Dachkonstruktion) auf. Als Eindeckung dienen kleinformatige gestutzte Holzschindeln.

Zerstörte Balkenlage an der Nord- und Westseite

Zerstörte Balkenlage an der Nord- und Westseite

Ertücjtigte Rähmbalken an der Nord- und Westseite

Ertücjtigte Rähmbalken an der Nord- und Westseite

Die Dacheindeckung: rechts alt und links neu

Die Dacheindeckung: rechts alt und links neu

Die Oberfläche der Turmkugel ist stark beschädigt

Die Oberfläche der Turmkugel ist stark beschädigt

Das Zifferblatt der Turmuhr wurde neu gefasst und neu vergoldet

Das Zifferblatt der Turmuhr wurde neu gefasst und neu vergoldet

Auch die Zeiger sehen wieder aus wie neu

Auch die Zeiger sehen wieder aus wie neu

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Die dringend nötige Runderneuerung (2023–2024)

Über Jahrzehnte hinweg war Feuchtigkeit durch die lückenhafte Dacheindeckung ins Holz eingedrungen und eine umfangreiche Sanierung war unumgänglich geworden. Das Sanierungskonzept wurde von April 2023 bis März 2024 in enger Abstimmung mit den Denkmalbehörden umgesetzt.

Die beiden Hauptprobleme:

  1. Holzschäden: Die Tragkonstruktionen, insbesondere in den westlichen Ecken der Rähme waren massiv geschädigt. Es wurden holzzerstörende Pilze wie der weiße Porenschwamm und Insekten wie der Bunte Nagekäfer gefunden. Die Schädlinge hatten ganze Arbeit geleistet – das auf den ersten Blick intakte Holz hatte seine statische Funktion verloren.
  2. Denkmalschutz: Vergangene Reparaturen hatten die Außenansicht verändert. Durch den Einbau einer Boden-Deckelschalung in der unteren Turmhälfte – im Gegensatz zur filigraneren Boden-Leistenschalung, bei der schmale Leisten die Fugen der Bodenbohlen überdecken – wirkte das Ganze wesentlich massiger als ursprünglich beabsichtigt und entsprach damit nicht den Anforderungen der Denkmalpflege.

Die Instandsetzung im Detail:

  • Tragwerkssanierung: Das gut 200 Jahre alte schadhafte Fachwerk wurde zimmermannsmäßig repariert. Geschädigte Rähm- und Balkenköpfe wurden ersetzt. Nicht mehr funktionierende Holzverbindungen, wie korrodierte Eisennägel, wurden durch Schraub- oder Bolzenverbindungen ertüchtigt.
  • Fassade: Die alte äußere Verschalung des Kirchturms wurde vollständig entfernt und durch eine Deckelschalung aus Lärchenholz ersetzt. Mittig in Turmhöhe sorgt ein Tropfbrett mit vorpatiniertem Kupferblech dafür, dass bei Regen keine Feuchtigkeit mehr eindringt.
  • Dach: Die alte Dacheindeckung musste ebenfalls komplett entfernt werden. Das Dach wurde mit kleinformatigen Eichen-Spaltschindeln neu eingedeckt. Auch die Dachbekrönung sowie das Zifferblatt und die Zeiger der Turmuhr wurden restauriert und neu lackiert bzw. vergoldet.
  • Begleitende Maßnahmen: Im Zuge der Sanierung wurden auch die Schallluken komplett erneuert. Die noch sehr altertümliche Elektroanlage wurde auf den neuen Stand gebracht und der Hauptstromanschluss aus dem Altarbereich in einen sicheren Turmbereich verlegt. Ebenfalls neu installiert wurde der Blitzschutz. Kleinere Erschütterungen während der Arbeiten erforderten außerdem die Schließung von Rissen an der Decke und die komplette Neumalerung des Innenraums im Kirchenschiff.

Die gelungene Instandsetzung stellt sicher, dass die St. Marien-Kirche in Worth auch zukünftigen Generationen als kulturelles und religiöses Zentrum erhalten bleibt. 150.000 Euro waren für die Baumaßnahmen kalkuliert, die Stiftung KiBa hat die Sanierung mit einer Förderung i.H.v. 15.000 Euro mitfinanziert.