Predigt über 1. Könige 8

Gottesdienst in St. Marien Rostock

Liebe Förder*innen der Stiftung KiBa, liebe Gemeinde,

„Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ So fragt sich König Salomo in seinem großen Tempelweihgebet. Gott wohnt überall im Himmel und auf Erden – wozu wenden wir dann eigentlich so viel Energie und Geld auf für seine irdischen Behausungen?

Dieser salomonischen Frage von damals, die nichts an Aktualität eingebüßt hat, möchte ich mit Ihnen in dieser Predigt nachgehen und dies tun mit einem Durchgang durch das großartige achte Kapitel des Königebuches, das die Einweihung des ersten Tempels akribisch und lebendig beschreibt.

Denn Salomons Frage, ob es denn überhaupt irdischer Hüllen bedarf, in denen Gott Wohnstatt findet, diese Frage stellt er ja nicht irgendwann. Er stellt sie bei der Einweihung des Tempels, einem der größten Tage Israels. Schon Vater David hätte all seinen Erfolg bei seinen Eroberungen gern gekrönt mit dem Bau eines Tempels in seiner Stadt Jerusalem. Aber immer wieder erinnert Gott ihn daran, dass dies erst seinem Sohn vergönnt sein würde. Und nun ist es so weit. Der Tag der Tempelweihe ist gekommen. Und alles an diesem Festtag weist auf die unvergleichliche Bedeutung dieses Bauwerks hin. Wie gut, dass der König selbst in seinem Gebet aber auch die Grenzen des von Menschenhand Gebauten benannt.

Ein paar Stationen des festlichen Weihetags aus 1 Kön 8. Zu diesem Tag zitiert der König nicht nur die Regionalfürsten nach Jerusalem, die Ältesten, sondern auch die Stammesführer und die Oberhäupter der Sippen. Alles, was Rang und Namen hat, regional und lokal, soll dabei sein. Der Weiheakt selbst ist eine Prozession. Die Priester tragen die Bundeslade mit den zwei steinernen Tafeln von Sinai in den neu gebauten Tempel, dazu alles hebräische Gerät, das vor allem zum Opfern nötig war. Die Stiftshütte hat ausgedient, das Wanderheiligtum, das für 40 Jahre Wüste steht, aber auch für ein Volk auf dem Weg. Jetzt ist das Jerusalem Davids das Rom Israels. 300 Jahre später wird König Josia verordnen, dass nur noch hier, im Jerusalemer Tempel, angemessen geopfert und angebetet wird, alle anderen heiligen Stätten Israels werden gewissermaßen exkommuniziert. Danach dauert es nur noch 50 Jahre, bis dieser Tempel in Schutt und Asche gelegt ist. Die Priester ziehen also mit der Lade in den Tempel bis ins Allerheiligste, dort wo die Cherubim ihre Flügel breiten über die wichtigste Stelle des Glauben Israels. Die Leviten stehen dort das erste und letzte Mal. Niemand darf diesen Ort betreten, außer der Hohepriester, und das nur einmal im Jahr, am Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag.

Aber die Priester brauchten dazu gar nicht in den heiligen Schriften zu lesen. Kaum gehen sie aus dem Allerheiligsten, erfüllt die Wolke der herrlichen Gegenwart Gottes diesen Ort und niemand kann sich nähern. Jetzt, wo alle Gottes Anwesenheit spüren, ergreift der König das Wort. Er segnet alle, die zur Tempelweihe nach Jerusalem gekommen sind. Und Salomo betet. Kein kurzer Gebetsspruch. Eine Gebetspredigt. Salomo preist Gott. Gott hat sein Versprechen an David wahr gemacht, und dessen Sohn dieses Heiligtum bauen lassen. Jetzt gibt es für die Lade, das Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen, einen Platz. Salomo bittet Gott, dass es immer einen auf dem Thron Israels geben möge, der hier betet. Und Salomo betet weiter: - 1 Kön 8, 27-30 - 

„Denn sollte Gott wirklich auf Erden wohnen?“ Siehe der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, auf dass Du hörst das Flehen und Gebet dieses Knechtes heute vor Dir: Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, und wollest erhören das Flehen deines Knechtes und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung im Himmel, wollest du gnädig sein.“

Eines ist für den König fraglos. Der Tempel ist vor allem Ort des Gebets. Das Gebet ist der entscheidende Zweck, für den dieses prächtige Bauwerk entstanden ist.

Und Salomo betet weiter, dass Gott erhören möchte, was Israel hier erbittet. Gerechtigkeit im Rechtsstreit. Neuanfang nach militärischer Niederlage. Regen in Trockenheit. Nahrung in Hungersnot. Vergebung in Schuld. Gott möge den Betenden schenken, um was sie bitten, sogar den Fremden, die hierher beten kommen.

Nach seinem Gebet segnet Salomo erneut die Gemeinde. Und nun wird geopfert, nicht etwa kleinlich. 22 000 Rinder und 120 000 Schafe werden Gott dargebracht. Aber damit nicht genug. Wie jedes Großfest in Israel wird jetzt acht Tage gefeiert und – so lesen wir – sogar noch mal sieben Tage drauf, ganze zwei Wochen.

Ich habe Ihnen dieses Tempelweihfest etwas ausführlicher geschildert, weil ich überzeugt bin, dass wir so manches daraus lernen können. Vielleicht ja sogar unmittelbar für unsere Feiern. Wenn Sie Ihre KiBa-Kirche des Monats oder des Jahres auszeichnen oder wenn eine durch Sie geförderte Kirche wieder in Gebrauch genommen wird nach umfangreicher Restaurierung. Vermutlich werden wir heute nicht mehr opfern. Aber das Gebet wird uns hier ins Stammbuch geschrieben und der Segen für alle, die in unseren Kirchen ein – und ausgehen, gerade auch die Fremden, will heißen: die Tastenden, konfessionell Ungebundenen, religiös Ungebundenen….. Und von denen gibt es ja hier bei uns in Ostdeutschland, wo Sie sich als Stiftung ja schwerpunktmäßig und segensreich engagieren, besonders viele. Auch eine Prozession unterstreicht den festlichen Charakter eines Gottesdienstes, warum nicht einmal um unsere Dorfkirchen ziehen.

Ich meine aber, dass wir 1 Kön 8 nicht nur als Folie für unsere Festliturgien machen können. Dieses Kapitel ist theologischer Ansporn und Mahnung zugleich. Die Einweihung wird groß gefeiert. Hier ist der Temenos“, der heilige, abgegrenzte Bezirk, baulich wird die sich steigernde Heiligkeit sichtbar gemacht, vom Vorhof der Heiden, zum Innenhof bis zum Allerheiligsten. Auch unsere Kirchen sind Stein gewordener Glaubensweg. Der Taufstein gehört eigentlich in den Narthex, die Eingangshalle im Westen, der Beginn des Glaubenswegs. Kanzel und Lesepult markieren die Orte des Hörens auf das Gotteswort, die nach Osten gerichteten Bänke bieten Raum für das Gebet. Der Zielpunkt jedoch ist der Chorraum, architektonisch das Kleinod, durch ein paar Stufen oder die Altarschranke abgesondert. Hier steht der Altar, Tisch der Gemeinschaft mit Gott und untereinander im Heiligen Mahl. Alles ist orientiert, geostet, auf Gott hin. Nichts ist zufällig in unseren Kirchbauten, alles hat seinen Sinn, in Kathedralen wie dieser und den kleinsten Dorfkirchen.

Doch Salomo erinnert uns auch heilsam an die Gebrochenheit all dessen, was von Menschenhand gemacht ist. Gott ist nicht durch Tempel- oder Kirchenmauern einzuzäunen. Er wohnt überall und bisweilen weht sein Geist außerhalb unserer Gemäuer frischer als drinnen. Israel überhebt sich, wähnt sich unverletzbar, da im Besitz der ewigen Wohnstatt Gottes. Der babylonische König bestraft diese Hybris gnadenlos. Der Tempel nur noch Schutt und Asche. Wie gut, dass Israel sich an Salomos Gebet erinnern konnte in der Katastrophe, und am Glauben festhielt auch ohne bauliche Hülle. Schon fast 2000 Jahre klagt das jüdische Volk über die Zerstörung auch des zweiten Tempels. Fromme Juden betreten den Tempelplatz in Jerusalem nicht aus Angst, die Stelle zu berühren, wo einst das Allerheiligste war.

Unsere Dorfkirchen sind in den vergangenen Jahren ansehnlicher geworden, erstrahlen vielerorts im neuen Glanz. Unser Problem ist, sie wirklich zu füllen, mit Gottesdienst, Gebet und Heiligem Mahl. Wir haben die üppigen Hüllen und sind zu wenige, um sie über ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß zu nutzen. Da ist es gut, wenn viele mittun, um diesen Kirchen neues Leben einzuhauchen.

Dabei hoffen und beten wir, dass die Menschen, die unsere hoffentlich offen stehenden Kirchen betreten, ob sie wollen oder nicht, eine Ahnung bekommen von dem, um dessentwillen sie einmal gebaut wurden: Gott, dem aller Himmel Himmel nicht fassen können, der sich aber immer wieder überraschend zeigt, gerade in unseren wunderschönen traditionsreichen Kirchen.

Ame