Stadtkirche Zöblitz (Sachsen)
Stadtkirche Zöblitz (Sachsen)

Bewahrung von Turm und Glockenklang-Traditionen

„Kirche des Monats September 2025“ in Zöblitz

Wissen Sie, was „Glockenbeiern“ ist? So nennt man ein rhythmisches Anschlagen einer Glocke: Der Klöppel wird bis kurz vor den Glockenrand gezogen und mit Seilen festgezurrt. Wer nun das Seil zieht, kann die Abfolge und die Anschlagstärke des erzeugten Tones beeinflussen. Heraus kommen: Schlichte Melodien, die ähnlich klingen wie bei einem Glockenspiel. Beiern, heißt es, sei heute vorwiegend im Rheinland beliebt, ebenso in Dänemark, Russland oder Spanien. Auch im sächsischen Zöblitz versteht man sich noch auf diese Tradition. Die drei Glocken der örtlichen Stadtkirche bringen zwar nur eine begrenzte Anzahl von Tönen hervor, aber simple Tonfolgen mit Ohrwurm-Potenzial (wie bei dem Kinderlied „Hoppe, hoppe, Reiter“) sind durchaus möglich. 

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

Heilandskirche Zöblitz

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Zuletzt gebeiert wurde in dem Erzgebirge-Städtchen, das dicht an der deutsch-tschechischen Grenze liegt, im Zuge eines „Glockenkonzerts“, mit dem die Gemeinde auf ihre schönen Klangkörper aufmerksam machen wollte – und zugleich auf die dringende Notwendigkeit, die Tonträgerinnen nebst Turm zu sanieren. „Glocken sind wunderbar sinnlich und erreichen die Menschen emotional“, weiß Tobias Haueis. Der 28-jährige Theologe ist Vorsitzender des Glocken-Turm-Ausschusses in Zöblitz und damit so etwas wie der Chefstratege fürs Spendensammeln. Weil man die Glocken „jeden Tag hört“, erklärt er, fokussieren sich viele Ideen und auch die Berichterstattung darauf. Drei Exemplare aus Bronze gibt es in der Stadtkirche; während die mittlere (Gussjahr 1476) anstandslos ihren Dienst tut, klingt die kleinste (1475) inzwischen eher blechern. Bei der größten Glocke wiederum eiert der Klöppel und schabt sogar Späne ab, die herunterfallen.

Handlungsbedarf gibt es indes auch bei den Glockenstühlen im Turm. Der jüngere von beiden, im Jahr 1903 eingebaut, besteht aus Eisen; er soll aus dem Ensemble entfernt werden. Gleichzeitig wird der historische, hölzerne Stuhl aus dem 18. Jahrhundert ertüchtigt und um einen modernen, ebenfalls aus Holz gefertigten „Bruder“ ergänzt. Keinesfalls zuletzt kümmern sich die Sanierer um die Statik des Kirchturms, um durch Braunfäule zerbröselndes Fachwerk und schadhafte Balken im Tragewerk.

Auf rund 400.000 Euro haben sich die erwarteten Kosten für diese Maßnahmen summiert; die Stiftung KiBa gibt 10.000 Euro für ihre „Kirche des Monats September 2025“ hinzu. Dank der Initiativen von Tobias Haueis und anderer engagierter Menschen in Zöblitz kommen auch Spenden immer wieder mit in den Topf des Sanierungsgeldes. „Wir ziehen alle Register“, sagt der junge Ausschussvorsitzende. Dazu gehören Klassiker des Fundraisings wie Spendenbriefe und Benefizkonzerte, aber auch kleine, kreative Initiativen: Aus Resten der großen Altarkerzen hat man neue Kerzen gezogen, ebenso gibt es Stofftaschen, von einem örtlichen Künstler mit einem „Kirche und Glocken-Aquarell“ verziert. Täglich gefragt ist auch das 750 Gramm schwere Roggenmischbrot, dass ein Zöblitzer Bäckermeister als „Spendenbrot“ verkauft.

Falten der Spenderbriefe durch die Junge Gemeinde

Falten der Spenderbriefe durch die Junge Gemeinde

Spendenbrot durch Bäcker Kolar

Spendenbrot durch Bäcker Kolar

Verkauf von Beuteln, Kerzen und Gebastelten durch den Kreativkreis

Verkauf von Beuteln, Kerzen und Gebastelten durch den Kreativkreis

Verkauf von Beuteln, Kerzen und Gebastelten durch den Kreativkreis

Verkauf von Beuteln, Kerzen und Gebastelten durch den Kreativkreis

Schrottsammlung

Schrottsammlung

Mehrere Bauaktionen in Eigenleistung

Mehrere Bauaktionen in Eigenleistung

Wie schon das Alter der Glocken in der Stadtkirche nahelegt, ist die Geschichte des Gotteshauses eine sehr lange. Im 15. Jahrhundert stand ein kleines Kirchlein im gotischen Stil an der Stelle, die inzwischen als „Schützenstraße 6“ adressiert wird. Nach Pest und Krieg kam es ab 1728 zu einem Umbau, bei dem das Gebäude vergrößert, und in weiten Teilen komplett erneuert wurde. Der Taufstein und der farbenprächtige, vergoldete Kanzelaltar stammen, wie auch die ehemaligen Beichtstühle und nicht wenige der im Turm verbauten Hölzer, aus dem Barock. Ein Umbau vergleichsweise jungen Datums (1904) prägte das Innere der Kirche in barockisierendem Jugendstil. Tobias Haueis ist fasziniert von der Harmonie, mit der die verschiedenen Stile zusammengefügt sind. „Die Kirche erzählt Geschichten des Miteinanders von Menschen in ihrer jeweiligen der Zeit und der Klang der Glocken ist für viele Heimat“.

Wenn alles nach Plan läuft, wird diesem Heimatgefühl absehbar ein ausdrucksstarkes „I-Tüpfelchen“ hinzugefügt: In Aussicht gestellt ist der Gemeinde die Stiftung einer vierten Glocke. Mit ihr könnte die Tradition des „Bergglöckleins“ belebt werden. Bis die Weltkriege ihr ein Ende machten, bestand diese Tradition in dem vom Bergbau geprägten Ortes darin, drei Mal am Tag den Schichtwechsel im Bergwerk einzuläuten. Künftig könnte also ein Extra-Glöckchen die Gebetszeiten in Zöblitz ankündigen.