Sven Hampel
Sven Hampel Foto: Ina Schoenenburg

Verborgene Kostbarkeiten

Vor mehr als vier Jahren berichtete „KiBa aktuell“ über den Feuerwehrmann Sven Hampel, der sich für die Sanierung seiner Dorfkirche in der Prignitz ins Zeug legte. Was ist seitdem aus diesem Projekt geworden?

Ein Schatz wird nicht in einem Tauchgang aus dem Meer geborgen. Ähnliches gilt auch für Kostbarkeiten, die nicht im Wasser verborgen sind. So brauchte es Jahre, um zu entdecken, was in der alten Dorfkirche von Kunow (Prignitz) steckt – und den Mut, in tiefere Schichten vorzudringen. Vielleicht war Sven Hampel deshalb genau der Richtige dafür. Der 53-jährige Berufsfeuermann ist Hobbytaucher. Ein kräftiger, zupackender Mann mit weichem Berliner Zungenschlag. Er geht den Dingen gerne auf den Grund. Und lässt nicht so schnell locker, wenn ihn die Leidenschaft packt. Die Begeisterung für die gotische Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert entwickelte sich schrittweise – eben in mehreren „Tauchgängen“.

Hampel zog 2002 mit Frau und Töchtern aus Berlin in die Prignitz (Brandenburg) und engagierte sich bald im Kunower Gemeindekirchenrat. Eine Sanierung der Kirchenhülle stand da schon seit einigen Jahren an. Dach und Mauern waren beschädigt. 2006 kam dann der erste „Tauchgang“: Hampel entdeckte einen verwitterten Steinquader im Kirchgarten. Denkmalschützer kamen und legten ein bislang nicht registriertes Kriegsdenkmal frei. Einmal am Ort, schauten sie sich auch in der Kirche um und gaben Hinweise, wie man eine Sanierung am besten angeht. Der Dachstuhl war da noch voller Dreck, aber als bald darauf der zuständige Kirchenrat aus Berlin zur Begutachtung kam, präsentierte die Gemeinde den Raum im besenreinen Zustand. Ein paar Männer aus dem Dorf hatten ausgemistet. Besonders freut Hampel, dass so viele Helfer mit angepackt haben, „und nicht nur aus der Gemeinde selbst.“

„Wir waren alle ein bisschen verliebt in dieses Projekt“

Sven Hampel

Danach legte der Ex-Berliner richtig los: Finanzierungsanträge, Telefonate, Zeitungsberichte, auch die Stiftung KiBa stieg mit ein. Im Frühling 2013 kletterten die ersten Bauarbeiter aufs Gerüst. Alles lief nach Plan – bis die Herbststürme kamen. Just an dem Tag, an dem Bauleiter und Denkmalschützer sich in der Kirche besprachen, riss ein heftiges Unwetter die Plane vom abgedeckten Dach. Wasser lief in den bloßgelegten Dachboden und von da aus in den Kirchenraum. Tiefbraune Flecken bildeten sich an den Wänden.

„Das war eine Katastrophe – und ein Glück“, sagt Hampel. Die feuchten Wände einfach zu überstreichen, ging nicht. Alle Farbschichten mussten jetzt herunter. „Bitte nicht maschinell abfräsen“, habe der Restaurator gefordert. Dann könnte man nicht erkennen, was in den einzelnen Schichten ist. Ein Maler kratzte daher mühsam Meter für Meter die Farbe mit dem Spachtel ab und klingelte immer wieder bei Sven Hampel durch: Da ist was!

Spuren einer Ornamentlinie, Fragmente von Bibelversen, Reste eines Kassettierungsmusters: Jedes Zeichen von Wandschmuck wurde freigelegt. Bald stellte sich die Frage: Was tun damit? Wieder zeigte sich das Wasser als Freund und Feind: Denn nun begann auch die Farbe an der feucht gewordenen Decke abzuplatzen, die kurz vor dem Wasserschaden überstrichen worden war.

„Das war der Punkt, an dem wir stoppten und überlegten, was wir wirklich wollen. Reine Schadensbegrenzung? Oder die Chance nutzen und richtig darangehen?“, berichtet Hampel. Fast eine rhetorische Frage. „Wir waren mittlerweile alle ein bisschen verliebt in dieses Projekt.“ Der Restaurator erstellte ein Farbkonzept, das sich an dem Zustand von 1850 orientierte: die bislang rote Decke in Grau-Weiß, die Wände in gebrochenem Weiß, die neu entdeckte Ornamentlinie in Ziegelrot.

Aber die Gemeinde mit ins Boot zu holen und wieder Geldgeber zu finden, war nicht ganz einfach. Vor allem, weil es jetzt nicht mehr allein um die Rettung der Kirche, sondern um ihre denkmalgerechte Ausmalung ging. Etwa das alte Kassettierungsmuster andeutend wieder sichtbar zu machen: „Erklären Sie mal, dass Sie für hellere weiße Striche auf einer gebrochen weißen Wand 8000 Euro brauchen“, sagt Hampel schmunzelnd. Dennoch, er war erfolgreich, wieder einmal, und heute sieht der Innenraum aus wie geplant. Schlicht, edel, in sich stimmig. 2015 war feierliche Einweihung, jetzt wird hier wieder Gottesdienst gefeiert, und manchmal tritt auch die lokale Theatergruppe auf.

Schatz geborgen, also Aktion beendet? Noch nicht ganz. Zurzeit steht wieder ein Gerüst, jetzt wird der Kirchturm saniert. Wer weiß, was Sven Hampel und sein Team bei der Turmsanierung noch alles entdecken werden.

Text: Hanna Lucassen, Fotos: Ina Schoenenburg