„Besondere Gelegenheiten“

Gelder akquirieren und dabei Gemeinschaft stiften

Keine halbe Stunde benötigt man mit dem Auto von Weimar nach Golmsdorf. Hier steht die Dorfkirche St. Barbara. Nach der Wiedervereinigung war sie das einzige Gotteshaus der Gemeinde - zu der neben Golmsdorf die Orte Beutnitz, Kunitz, Löberschütz und Jenalöbnitz gehören -, das noch in Betrieb war. Die übrigen vier Kirchen waren geschlossen und wurden über Jahre hinweg renoviert. Dann „schwächelte“ St. Barbara: der Holzschwamm hatte sich in den Ecken des Dachs ausgebreitet, Risse im Mauerwerk waren unübersehbar und die Statik war in Gefahr.

2013 und 2017 hat die Stiftung KiBa die Gemeinde mit insgesamt 35.000 Euro gefördert, dabei hat sich der Förderverein mit einer großzügigen Projektspende aktiv beteiligt. 2013 war St. Barbara überdies die „KiBa-Kirche des Monats September“.

Gabriele Köhler vom örtlichen Förderverein erinnert sich, wie alles angefangen hat: vor etwa zehn Jahren standen wir im Dorf vor der Frage, ob wir unsere St.-Barbara-Kirche dem Verfall überlassen sollten. Es war die letzte unsanierte Kirche im Kirchspiel  - und die größte dazu. Die Ausgangssituation war schwierig: die Gottesdienste waren schlecht besucht und die Kirchensanierung schien uns ein Fass ohne Boden zu werden. Überdies mussten wir bedenken, dass sich im Golmsdorfer Ortsteil Beutnitz ebenfalls eine kleine geschichtsträchtige – und bereits sanierte – Kirche befindet. Trotzdem wollten wir „unsere“ Kirche gern erhalten, denn sie prägt das Ortsbild. Ein kleines Häuflein von sieben Leuten gründete damals den Kirchbauverein. Ein echter Glücksfall war, dass die Vorsitzende Architektin ist und ihr Know how ebenso wie ihr Netzwerk einzubringen wollte.

Die Baukostenschätzung nach dem ersten Gutachten erschlug uns aber fast: 160.000 Euro für die Sanierung des schwammbefallenen Holzes und anderer Pilze im Dachtragwerk! Es galt also, zunächst ein Konzept zu erstellen, um Fördermittel zu akquirieren: unsere Barbara-Kirche sollte ein Columbarium werden. Und dazu würden wir auch einiges an Eigenmitteln benötigen. Viele private Spender und mehrere Firmen beteiligten sich, es wurden Kuchenbasare, ein Flohmarkt und Benefizkonzerte veranstaltet. Die Sanierung der Kirche schritt voran, doch immer wieder ergaben sich neue Probleme.

„Man muss nicht zwingend zur Gemeinde oder zum Kirchbauverein gehören, um Gutes zu tun und Gemeinschaft zu erleben.“

Gabriele Köhler, Förderverein Golmsdorf

Dann hatte jemand einen zündenden Gedanken: den Verkauf von „Besonderen Gelegenheiten“. Das ist eine so wunderbar gemeinschaftsstiftende Idee, dass wir sie gerne genauer vorstellen wollen. Vielleicht ist das auch eine gute Möglichkeit für andere Gemeinden? Wir können die Nachahmung nur empfehlen!

Und so funktioniert es: wer etwas Besonderes anbieten will, malt ein schönes Plakat zur Gelegenheit (und was sie kosten soll), unten am Plakat hängen kleine Abreißzettel für die Interessierten. Die gesammelten Plakate hängen dann zum Beispiel beim Dorffest als „Gelegenheitsmarkt“ aus. Wer eine Gelegenheit kaufen möchte, nimmt sich einen entsprechenden Zettel und bezahlt an einer Kasse. Die Erlöse gehen in die Sanierung der Kirche. Das Besondere dabei ist, dass die Verkäufer gar nicht wissen, wer ihre Gelegenheit gekauft hat – so treffen sich dann Menschen, die vorher nichts oder nur wenig miteinander zu tun hatten. Die aktive Dorfgemeinschaft wird also immer wieder neu gemischt. Man muss nicht zwingend zur Gemeinde oder zum Kirchbauverein gehören, um Gutes zu tun und diese Gemeinschaft zu erleben.

Ich will ein paar Beispiele aufführen, was es bei uns an „Besonderen Gelegenheiten“ gab: ein Landfrauenmenü für sechs Personen, eine Besichtigung eines nur begrenzt offenen Gebäudes in Jena, eine Fahrt ins Blaue, ein Tapas-Abend, Nordic Walking für Anfänger und Fortgeschrittene, Adventskranzbinden, Entspannungsübungen, Yoga, Buchbinden, Traktorfahren für Kinder, Lichtbildervorträge… und vieles mehr.

Dorffest in Golmsdorf

Dorffest in Golmsdorf

Innenraum der St.-Barbara-Kirche nach dem 1. Bauabschnitt

Innenraum der St.-Barbara-Kirche nach dem 1. Bauabschnitt

Blick in den Glockenstuhl

Blick in den Glockenstuhl

„Dankeschön-Fest“ in Golmsdorf

„Dankeschön-Fest“ in Golmsdorf

Die Barbara-Kirche nach dem 1. Bauabschnitt

Die Barbara-Kirche nach dem 1. Bauabschnitt

Die Aktion war ein voller Erfolg! Sie hat zu erneuten Eintritten in den Kirchbauverein gesorgt und zu einem viel aktiveren Dorf- und Gemeindeleben. Mit unserem letzten Verkauf von „Besonderen Gelegenheiten“ haben wir mehr als 2.500 Euro erwirtschaftet. Viel wichtiger aber ist uns, dass sich dabei die Menschen aus dem Dorf ein einander nahe gekommen sind! Das gefiel auch den Jüngeren oder den Zugezogenen, die sich auf diese Weise mit einbringen und schnell heimisch werden konnten.

Und last but not least: zu Ostern und Erntedank, zu Weihnachten und zu Konzerten ist die Kirche wieder voll. Wir feiern gemeinsam mit Essen und Trinken und es gibt Musik. Taufen, Trauungen, Gottesdienste, Feste feiern und auch der Tod gehören für uns zusammen; alles soll auch künftig in der Kirche seinen Platz haben.

Inzwischen ist das Tragwerk in St. Barbara rundherum saniert. Die Schäden am Turm wurden behoben, die große Glocke beim Glockengießer repariert. Im Inneren wurden Risse verschlossen und verputzt, Decken saniert, die Treppe erneuert und vieles mehr. Und im Juni kommt uns der Förderverein der Stiftung KiBa besuchen – im Rahmen seiner Mitgliederversammlung im nahe gelegenen Weimar.

Unsere Kirche und unsere Gemeinde sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil des dörflichen Lebens in Golmsdorf. Auch in Zukunft.